Alleine in El Condor
Wir bringen die knapp 30km von Viedma nach El Condor rasch hinter uns. Als wir in El Condor ankommen, erwartet uns ein kleines, ausgestorbenes Dörfchen direkt an einem sehr langen und breiten Sandstrand. Das erste Mal seit wir unterwegs sind, sehen wir das Meer! Fränzi freut sich riesig.
Danach machen wir uns auf zum Camping, welchen wir zuvor auf Google Maps mit der besten Bewertung ausfindig gemacht haben. Leider Fehlanzeige; als wir dort ankommen, hat er geschlossen. Sogleich nimmt sich aber ein älterer caballero uns an und zeigt uns sein Camping. Wir sind nicht übrzeugt und besichtigen zuerst noch alle anderen Campings. Schliesslich entscheiden wir uns für einen, der auf Google gar nicht angegeben ist. Der Platz ist relativ klein und wirkt gemütlich, die Bäder sind sauber und am zweiten Tag gibts sogar neue Duschvorhänge! Freude herrscht und Franziska kann sich wieder entspannen. Wir sind weiterhin die einzigen Touristen überhaupt und haben so die Qual der Wahl. Wir suchen einen möglichst windgeschützten Ort und richten uns ein. Nun ist Handwäsche angesagt und unser faltbares Becken kommt zum ersten Mal zum Einsatz.
Danach gehen wir an den Strand und später Lebebsmittel einkaufen für die kommenden Tage. Jetzt kommen unsere Campingutensilien endlich mal richtig zum Einsatz. Wir kochen Spaghetti aglio e olio und machen dazu Kabissalat und sind dann früh im Zelt. Kaum ist die Sonne weg, wirds frisch…
Nach mindestens zehn Stunden Schlaf, starten wir mit Kaffee und Porridge in den neuen, sonnigen und 23 Grad warmen Tag! Wir wagen uns mit kurzen Hosen an den Strand. Zu recht – schon nach kurzer Zeit wird uns zu heiss und wir suchen ein schattiges Plätzchen auf. Es hat heute viel mehr Leute am Strand als gestern. Ganze Familien und Freunde haben sich gemütlich eingerichtet. Einige bauen ihre Liegestühle auch einfach gleich neben dem geparkten Auto auf und lassen daraus laute Musik ertönen. Um zu baden ist das Wasser selbst Franziska zu kalt. Um die Rumpfmuskulatur während dem Velofahren nicht zu vernachlässigen, starten wir mit einem 45 min. Fittnessprogramm und versuchen danach, unsere neu erstatteten Spanischbücher zu entziffern.
So vergeht der Tag wie im Flug. Am Abend sind wir nach einem leckeren Gemüsereis wieder früh im Bett. Wir haben den argentischinen Tagesrhythmus noch immer nicht verinnerlicht.
Der nächste Tag beginnt ebenfalls sonnig, aber zwischendurch kommt fieser, kalter und starker Südwind auf, sodass das relaxen am Strand, kaum möglich ist. Wir laufen dem Strand entlang und gelangen so zur grössten Papageienkolonie der Welt. Die Luft ist erfüllt vom Gekreische der grün – gelben Vögel, sodass man sich kaum mehr versteht. Sie haben ihre Nester in kleinen Höhlen in der ca. 60 Meter hohen Felswand welche sich der Ostküste entlang endlos weiter zieht. Allein in El Condor gibt es rund 185 verschiedene Vogelarten.
Vogelgezwitscher ist auch spät am Abend und früh am Morgen unser ständiger Begleiter. So wie das pfeifen des teilweise sehr stürmischen Windes. In der Nacht auf Montag regnet es auch das erste Mal ein wenig.
Am Montagmorgen läutet schon um 8.00Uhr der Wecker. Wir haben einen Tagesausflug mit den Fahrrädern geplant, da das Wetter und die Windverhältnisse stimmen sollten. Wir machen uns auf Richtung Süden, alles der Küste entlang. Die Strasse ist leer (ausser ein paar Papageien), die Temperatur angenehm, die Sonne scheint und unsere Stimmung ist auf dem Höhepunkt.
Unser erster Halt ist der Playa „El Espigón“. Ein steiler, holpriger Weg führt uns zwischen den Felsen hindurch hinunter zum Meer. Es ist Flut, und ein aus dem Meer ragender Fels ist über Brücken erreichbar. Auf dem Felsen stehen etwa acht Fischer welche mit ihren langen Angeln, im Zweiminutentakt einen Fisch nach dem anderen aus dem Meer ziehen. Plötzlich sehen wir etwas schwarzes, dreieckiges aus dem Wasser ragen. Dann verschwindet es wieder, um kurze Zeit später sich wieder zu zeigen. Fast glauben wir es handelt sich tatsächlich um so was wie ein Walfisch, oder zumindest so was ähnliches der Grösse nach zu urteilen. Zu früh gefreut- es handelt sich dabei „lediglich“ um Seehunde die sich im Wasser tummeln und in Richtung der bekannten Seehundekolonie ein paar Kilometer weiter südlich bewegen.
Als wir uns satt gesehen haben machen wir uns wieder auf den Weg zum nächsten Strand „Playa Bonita“. Dieser ist sehr ähnlich wie der vorangegangene und wegen der Flut kaum begehbar.
Nach einem stärkenden Snack entscheiden wir uns spontan noch ca. 8Km weiter bis nach La Loberia zu fahren. Wir werden mit einem sehr schönen Sandstrand und mehreren Dutzenden weiteren Seehunden für unsere Mühen belohnt.
Die Rückfahrt gestaltet sich dann doch anstrengender als gedacht, da uns der Wind nicht wie geheissen von hinten unterstützt. Zwischendurch regnet und hagelt es sogar kurz. Das Unwetter auf dem Meer zu beobachten ist sehr eindrücklich. Auf dem Rückweg machen wir nochmals kurz halt im „Playa Espigón“ welcher sich nun völlig verändert bei starker Ebbe zeigt.
Nebenbei noch eine Bemerkung am Rande; die argentinische Ausprache von „ll“ und „y“ ist gleich „sch“. Zum Beispiel sagen sie „Plascha“ =Playa, oder „Poscho“ =Pollo, oder „Maschorca“=Mallorca 😂.
Zurück auf dem Camping gönnen wir uns eine wärmende Dusche und einen leckren Kichererbsensalat.
Am nächsten Morgen erwacht Franziska um 6.00 Uhr und geniesst den wunderschönen Sonnenaufgang am menschenleeren Strand. Man weiss ja nicht wann dazu das nächste Mal die Chance besteht.
Der restliche Tag zeigt sich viel sonniger als gedacht und wir entspannen auf dem Campingplatz. Die Suche nach einem offenen Kaffee war erfolglos.
Am Nachmittag reisen plötzlich zwei mittelgrosse Busse, mit Studenten aus Buenos Aires an…Die idyllische Ruhe ist nun vorbei und wir müssen „unser WC und unsere Dusche“ mit anderen teilen. Das einzig Gute daran, die Campinghunde sind nicht mehr nur auf uns fixiert. Sie sind schon ganz okay aber manchmal auch ziemlich „creepy“. Am Abend machen wir das erste Mal unser eigenes Asado mit Chorizos und Kartoffeln und dazu eine Flasche Rotwein. Super lecker und super günstig!
Am nächsten Morgen packen wir in Ruhe all unsere Sachen zusammen und verabschieden uns dann, nachdem der Campingbesitzer ein Foto für seine Facebookseite gemacht hat, von El Condor. Der Wind weht sehr stark und wir radeln dem mit Meter hohen Wellen bedeckten Strand entlang wieder aus dem Dörfchen heraus zurück Richtung Viedma.
Übrigens, pass auf die Wildschweine auf 😉
Carmen de Patagones
Carmen de Patagones ist die Nachbargemeinde von Viedma. Die beiden Gemeinden trennt nur der Rio Negro, Carmen liegt im Norden, Viedma im Süden. Im Gegensatz zu Viedma hat Carmen aber eine reiche Geschichte und spielte in der Eroberung Argentiniens eine wichtige Rolle. Dies sieht man auch dem Stadtbild an. Die Häuser sind etwas älter und haben leicht italienisches flair.
Für die 30 km von El Condor nach Carmen de Patagones benötigen wir knapp zwei Stunden. Der Wind bläst wieder stark, heute von der Seite, was uns doch ziemlich verlangsamt.
Der Rio Negro tritt weit über die Ufer hinaus.
Am Ziel angekommen, essen wir bei unserem Choripan-Foodtruck des Vertrauens zu Mittag, bevor wir Nadina, unseren Host für die nächsten zwei Nächte, treffen. Nadina ist eine sehr erfolgreiche, nun selbstständige Anwältin. Nadina ist von Beginn weg sehr sympathisch und eine extrem zuvorkommende Gastgeberin. Wir trinken zuerst Mate, bevor wir in ihrem Auto eine ausgiebige Sightseeingtour mit interessanten Geschichten zu den verschiedenen Orten erhalten.
Anschliessend fahren wir zum Kulturzentrum von Viedma um uns den Spielplan anzusehen. Wir haben Glück und eine Folklorevorstellung beginnt in nur 5 Minuten. Eine Orchester, bestehend aus jungen Künstlern von verschiedenen Orten und sozialen Milieus, spielt traditionelle indigene Musik. Zum Einsatz kommen viele verschiedene Instrumente, darunter Panflöten und Ukulelen. Die Musik ist hervorragend und könnte manchen modernen Popsong inspiriert haben. Da es sich auch um ein soziales Projekt handelt, gibt es diverse Danksagungen und zum Schluss wird auch das Publikum eingeladen mitzuspielen. Und siehe da, plötzlich steht fast der ganze Saal auf der Bühne und wir sitzen mit wenigen anderen, welche kein Instrument mitgebracht haben, alleine auf der Tribüne. Die Bigband spielt ein wohl allseits bekanntes Lied und hört auch nicht auf zu spielen, alls die Lichter angehen. Nach einigen Minuten gehen sie dann doch von der Bühne und spielen dafür im Foyer weiter. Fränzi ist hin und weg!
Im Anschluss treffen wir Nadina, die in der Zwischenzeit im Kickboxtraining war und ihre Freundin Valentina in einer neuen Bar um zu Abend zu essen. Alle Tische sind besetzt und die Stimmung gut. Die Argentinier haben gelernt auch in der Krise cool zu Bleiben und das Leben zu geniessen. „Morgen hat das Geld ja vielleicht noch weniger Wert“.
Am nächsten morgen stehen wir früh auf und fahren mit Nadina zur Arbeit. Nadina ist eine sehr erfolgreiche Anwältin und zeigt uns ihre kürzlich eröffnete Kanzlei. Die Kanzlei liegt mitten im Zentrum und ist sehr schön eingerichtet. Nadina bleibt da um zu arbeiten und wir geniessen die Sonne und erkunden die Stadt.
Abends treffen wir Marina im Roma. Nadina hat erneut Training und hat deshalb extra eine Freundin gefragt, ob sie in der Zwischenzeit ein Bier mit uns trinken möchte. Marina bringt aber gleich noch zwei Freunde mit und später kommt Nadina auch wieder dazu. Die argentinische Gastfreundschaft ist einfach grossartig! Wir verbringen einen sehr schönen und lustigen Abend mit der Clique. Wir sind zwei Juristinnen, ein Softwaredeveloper, eine Sozialarbeiterin und ein Ökonome. Es gibt Papas Fritas, gutes Bier und noch bessere Gespräche.
Am nächsten Tag ist leider schon wieder Abreisetag. Der Tren Patagónico fährt um 18h00 ab, Richtung Bariloche. Die Ticketverkäuferin sagte uns vor einer Woche, dass wir aber schon um 12h00 da sein sollen, um die Fahrräder sicher verladen zu können. Wir zweifeln daran, dass dies nötig ist, entscheiden uns aber dennoch um 13h00 zum Bahnhof zu fahren um keine Probleme zu haben.
Am Vormittag kaufen wir noch Proviant für die lange Zugfahrt und geniessen die Zeit mit Kaffee und Sonnenschein. Danach gehts wieder zu Nadinas Kanzlei um gemeinsam zu ihrer Wohnung zu fahren und die Fahrräder zu packen. Nadina hat aber noch ein wichtiges Kundengespräch und hat deshalb extra Marina angerufen um uns zu ihrer Wohnung zu fahren. Wir packen unsere Fahrräder und verabschieden uns von Marina und fahren zum Bahnhof.
Es ist schade, dass wir uns nicht von Nadina verabschieden können, nach der tollen Zeit die wir zusammen verbringen konnten und allem was sie für uns getan hat.
Um 13h00 treffen wir am Bahnhof ein. Ohne Probleme verladen wir die Fahrräder und sind wie erwartet 5 Stunden zu früh. Selbstverständlich sind wir darauf vorbereitet und richten uns ein um eine kurze Beach Holiday auf dem Bahnsteig des Tren Patagónico zu verbringen. Wir machen es uns gemütlich und siehe da, plötzlich stehen Nadina und Valentina vor uns um sich zu Verabschieden:)!
Die tägliche Siesta darf nicht fehlen.
Von den Hunden bewacht.
Und los gehts gen Westen zum allseits bekannten und überaus beliebten Winter- und Sommersportort „San Carlos de Bariloche“.
Hey zäme, danke für de Biitrag, wie immer spannend z’verfolge was ihr tüend und wo ihr sind. So wies usgseht sinder bis jetzt ohni Veloschade durä cho 😉
Bis bald und gnüssets…
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