Viele neue Bekanntschaften auf der Carretera Austral

Chaitén – Puyuhuapi 190km

Um 9.55 Uhr am nächsten Morgen werden wir aus unserem Zimmer gescheucht. Check out Time: 10.00.

Also alles rasch zusammen gepackt und dann warm und regensicher angezogen aufgemacht zum für längere Zeit letzten Bankomaten, um uns finanziell für die kommenden Tage abzusichern. Unsere Kreditkarten funktioniert aus unerklärlichen Gründen nicht. Mit der Maestrokarte haben wir Glück. Danach treffen wir Will (er hat die Nacht im Warteraum der Fähre, zusammen mit einem anderen Reisenden verbracht). Wir machen uns gemeinsam auf um einzukaufen und uns in einem Kaffee noch etwas aufzuwärmen und den grössten Regenguss vorbei ziehen zu lassen. Mit aufwärmen ist nichts, aber als wir losfahren hat es tatsächlich wieder aufgehört zu regnen. Raus aus dem kleinen unscheinbaren Dorf und rein in die Wildnis auf die nur sehr wenig befahrene, unter Veloreisenden sehr berühmte, Carretera Austral. Ausser einem agressiven Hund, der beim Dorfausgang „sein Revier“ etwas zu streng verteidigt und Urs in die Gepäcktasche beisst, sind wir alleine unterwegs und erfreuen uns den unzähligen Wasserfällen und der unberührten Natur. Wir kommen gut voran und geniessen es, fast ganz flach, einfach dahin zu radeln und den Moment zu geniessen. Dann kommt doch wieder Regen auf und schon bald giessts in Strömen.

Nach etwa 50km kommen wir an einen Camping mit Hotel am Lago Yelcho an. Wir beschliessen dort zu campen, weil es gut gedeckte und mit Feuerstellen versehene Plätze gibt wo wir unsere Sachen wieder trocknen können. Der Campingplatz hat erst vor wenigen Tagen in die neue Saison gestartet, weshalb es noch unsicher ist, ob wir in den Genuss von einer heissen Dusche kommen werden. Dafür bezahlen wir nur den halben Preis pro Nacht. Wir machen ein grosses Feuer und richten uns ein. Gerade als wir den Wassersack mit heissem Wasser zum Duschen füllen wollen, kommt die frohe Botschaft, dass das Heisswasser nun doch funktioniert. Nach der erfrischenden und wärmenden Dusche kochen wir Gemüserisotto über dem Feuer und geniessen den Abend.

Urs ist früh wach am nächsten Tag und geniesst die Morgensonne und die Aussicht auf die Schneeberge am Strand bei einem Kaffee.

In aller Ruhe und Gemütlichkeit packen wir unsere Sachen und gehen noch kurz beim Camping- und Hotelbesitzer vorbei um uns ein paar Tips für Wildcamp-Spots abzuholen. Als wir nach dem Mittag aufbrechen, schliesst sich uns ein älteres deutsches Ehepaar an, welches ebenfalls mit Fahrrad und Zelt unterwegs ist.

Wir haben einen kleinen Pass vor uns. Die steile Strasse und die Sonne drückt uns den Schweiss aus allen Löchern. Das deutsche Ehepaar haben wir abgehängt. Auf dem höchsten Punkt angelangt, gibts erstmal etwas zu Essen und eine kurze Pause.

Kurz bevor wir wieder losfahren wollen, kommen sie dann wieder dazu. Wir fahren wieder zu fünft den Pass hinunter und geniessen den Fahrtwind. Plötzlich wechselt die geteerte- in eine Kiesstrasse und um uns herum tut sich eine riesengrosse, öde Fläche auf. Keine Bäume, nur noch Erde und später eine tiefe, breite Erdschlucht. Es sieht aus, wie ein riesiger Erdrutsch.

Auch als wir zum nächsten Dorf hinunter fahren ist ein Teil davon von der Erdmasse verschüttet. Wir lassen uns von einer Einheimischen Auskunft geben und erfahren, dass sich vor rund einem Jahr ein Stück des nahe gelegenen Gletschers gelöst und, zusammen mit starken Regenfällen, eine riesige Schlammlawime ausgelöst hat. Dabei sind etwa 20 Personen ums Leben gekommen. Darunter auch Touristen. In dem Teil des Dorfes, der noch steht, gehen wir Einkaufen fürs zNacht und den darauffolgenden Tag. Die „Germans“ ebenfalls. Sie sprechen kein Wort Spanisch und kaum Englisch. Sie grüssen den Verkäufer nicht mal und der Mann ist ziemlich unfreundlich und harsch zum Einheimischen. Ich schäme mich etwas für sie und probiere es mit einem Lächeln und meinem spanisch so gut ich kann wieder gut zu machen. Ich hoffe der Verkäufer denkt nicht, dass wir zusammen gehören. Danach verabschieden wir uns wieder von den „Germans“. Will ist jung und fit und unser Tempo ist hoch. Trotzdem zieht es sich dann doch noch hin, bis wir einen wunderschönen, direkt am Fluss gelegenen Wildcampspot finden und uns erstmal ein eisig kaltes Bad im „Rio Frió“ genehmigen.

Danach richten wir uns ein und machen es uns an den letzten Sonnenstrahlen gemütlich.

Und siehe da – kaum haben wirs uns gemütlich gemacht, kommen sie schon wieder angeradelt, die Germans. Naja, was solls. Wir geniessen den Sternenhimmel.

Als wir am nächsten Morgen aufstehn, ist das deutsche Ehepaar bereits schon wieder weg. Wir machen uns gemütlich um etwa 11.00Uhr ebenfalls auf den Weg.

Unterwegs treffen wir einen weiteren Radreisenden. Er ist Westschweizer. Seit wir auf der Carretera Austral sind, ist immer wieder mal ein Tourenfahrrad zu sehen. Es ist schön, nicht mehr ganz alleine unterwegs zu sein und sich über Erlebtes, Wetter und Fahrradequipment auszutauschen. Gegen Nachmittag kommen wir dann an einen kleinen See, wo dann auch die asphaltierte Strasse aufhört. Die kommenden 10km sind dementsprechend streng und wir kommen nur langsam voran. Franziska ist froh, dass mindestens der Hinterreifen für solche Strassenverhältnisse gut geeignet ist, auch wenn das Fahren auf den losen Steinen manchmal schon sehr schwammig ist.

Wir entscheiden uns dann, einen richtigen Camping aufzusuchen und einen Tag Pause einzulegen, da der Wetterbericht viel Regen voraus gesagt hatte und wir unseren Beinen Entspannung gönnen möchten. Also fahren wir bis in nächste Dorf Puyuhuapi und finden einen mit Dach und Windschutz ausgestatteten Camping für 4000.- Pesos pro Person, pro Nacht.

…Und da sind sie auch schon wieder…die Germans. Wir genehmigen uns eine heisse Dusche, machen eine kleine Handwäsche und kochen mit Will zusammen Milchreis (a la Nani) und fallen dann müde zu Bett. Wir schlafen lange aus und nützen den Pausentag um die Velos wieder auf Vordermann zu bringen, am Blog zu schreiben und mit weiteren Reisenden, welche während dem Tag dazu kommen, zu plaudern. Von Will sehen wir den ganzen Tag Nichts. Später am Abend erzählt er uns, dass er die ganze Nacht hätte erbrechen müssen und kaum geschlafen hätte. Er sah auch aus wie ein Häufchen Elend. Er meint, er hätte evt. ein Ei gegessen welches schlecht gewesen sei. Gut haben wir sowieso eine Pause eingeplant gehabt und sind in einem Dorf auf einem richtigen Camping.

Wir kochen Pasta und freunden uns mit einem anderen Veloreise-Pärchen an. Constanzia aus Chile und Gilberto aus Mexico. Gilberto ist bereits seit Mexico mit dem Fahrrad unterwegs. Am Anfang war der Plan, ein bis zwei Wochen zu touren, weil es eine günstige Variante ist, umher zu reisen. Er ist mit einem ganz einfachen Fahrrad und mit wenig Gepäck losgefahren (wobei ihm das Fahrradfahren vorher nicht viel gesagt hatte) und mit 200.- Dollar Startkapital. Und so hatte das Eine zum Anderen geführt und er ist noch immer unterwegs, hat zwischendurch in Hostel oder anderen Saisonstellen gearbeitet und sich so seine Weiterreise finanziert. Unterwegs hatte er Constanzia kennengelernt, welche dann auch ihren Job hingeschmissen, und sich mit ihm zusammen mit dem Fahrrad aufgemacht hatte. Er fährt inzwischen sein viertes Fahrrad. Wir beschliessen am nächsten Tag zusammen loszufahren. Y Buenos noches!

Puyuhuapi – Sandy Beach 176km

Am nächsten Tag fahren wir zusammen mit Conny und Gilbert los weiter Richtung Süden. Will fühlt sich besser, ist sich noch nicht sicher ob er heute fahren kann. Er entschliesst sich erst ausgiebig zu Mittag zu essen und dann zu entscheiden ob er fährt oder nicht. Er möchte auf jeden Fall dann aufholen und sich der Gruppe wieder anschliessen.

Der Asphalt endet schon bald und wir befinden uns wieder auf einer Schotterpiste. Dies wird heute so bleiben und auch der Minipass am ende des Tages ist nicht geteert. Das Wetter ist dafür gut und die Stimmung sowieso. Zu beginn führt der Weg entlang der Küste und wir können Delfine beobachten. Drei schwimmen ca 20 Meter vor uns vorbei, Fränzi ist begeistert!

Wir lernen unterwegs vieles über Chile und Mexiko und teilen unsererseits wissenswertes über die Schweiz. Conny zeigt uns auch eine hier sehr typische, essbare Pflanze. Sie wächst in dieser Region überall entlang des Weges. Schmeckt mit etwas Salz sehr lecker, wie eine Mischung zwischen Rhabarber und Weisskohl. Hilft ausserdem bei Durchfall.

Der Weg über den Pass ist wie erwartet steil und anstrengend. Als wir kurz vor 16:00 auf dem Pass ankommen, beginnt es auch gleich zu Regnen. Die Abfahrt gelingt dennoch gut und wir suchen so rasch wie möglich einen Platz zum Wildcampen. Kurz vor ende der Abfahrt treffen wir bei einem Wasserfall noch ein paar Chilenen, welche sich beeindruckt zeigen und uns zur Stärkung ein Sixpack Cola schenken.

Ganz am Ende der Abfahrt finden wir dann einen geschützten Platz zum Übernachten. Wir bauen schleunigst die Zelte auf um möglichst trocken zu bleiben und siehe da, der Regen hört auf und wir haben wieder schönstes Wetter. Statt uns im Zelt zu verstecken gönnen wir uns bei guter Stimmung ein schnelles Bad im eiskalten nahegelegenen Bergbach. Danach bleibt immer noch genug Zeit um die nassen Kleider an der Sonne zu trocken, gemütlich zu kochen und bei einem Lagerfeuer weitere Geschichten auszutauschen.

Gilbert hatte bereits erwähnt, dass sie gerne ausschlafen und als Urs als Frühaufsteher um 10:30 Kaffee kocht sind die anderen alle immer noch am schlafen. Der Vortag war wohl anstrengender als gedacht. Das Wetter ist hervorragend und Mittags fahren wir los. Die Strasse ist nun wieder geteert und wir kommen gut vorwärts. Eindrückliche Landschaften, die der Schweiz ziemlich ähnlich sehen, befinden sich entlang des Weges. Natürlich ohne die hohe Bevölkerungsdichte.

Ca um 15:30 treffen wir im ersten (und sehr kleinen Ort) seit Puyuhuapi ein und wir diskutieren, ob wir noch zum 40 km weiter entfernten richtigen Ort fahren sollen oder hier im „Refugio por Ciclistas“ übernachten. Plötzlich einsetzender Regen erleichtert uns diese Entscheidung und wir machen uns auf zum Refugio (der Regen hört ca 30min später wieder auf). Das Refugio selbst nennt sich zwar „Refugio por ciclistas“, ausser dass hin und wieder Fahrradfahrer hier übernachten hat es mit Fahrradfahrern aber nichts zu tun. Die freundliche Besitzerin erklärt uns, dass sie vor einigen Jahren ein paar Radfahrern bei miesem Wetter Unterschlupf geboten hat, sie das weitererzählt hätten und plötzlich immer mehr Reisende vor der Türe standen. Anstatt sie abzulehnen, hat sie ihre Türe geöffnet und verdient nun als „Refugio“ etwas Geld. Tatsächlich handelt es sich dabei einfach um ihr Haus mit einem leeren Zimmer, wo man seine Matte ausrollen kann. Ausserdem ist die Besitzerin wohl so etwas wie die Dorfbäckerin – auf jedenfall besitzt sie einen kleinen professionellen Brot-/Pizzaofen. Für uns bedeutet das: Heute machen wir Pizza!

Die Gastgeberin findet es toll, macht viele Fotos und erkundigt sich wie man das Gericht nennt;-). Die Pizza hat eine Seitenlänge von 80cm und ein Manko: es fehlen die Sardellen für Urs!

Will hat uns übrigens aus versehen überholt. Er war am Vortag doch schon losgefahren, hat in der Nähe von uns Wild campiert und durch früheres losfahren bereits ca 50km Vorsprung auf uns. Wir werden versuchen ihn in Coyhaique wieder zu treffen.

Der nächste Tag zeigt sich wieder von seiner besten Seite und diesmal ganz ohne Regen. Wir möchten heute Abend bei einem ca 70km/1000hm entfernten „Sandy Beach“ wild campieren. Der Platz soll sehr schön sein und auch von vielen Einheimischen zum Fischen , Grillieren und Baden besucht werden. Wir kommen gut vorwärts und es gibt kaum Verkehr. Pro Stunde begegnen uns vielleicht zwei Autos. Plötzlich hält Gilbert an und sagt, dass seine Felge an einer Stelle an den Bremsen schleifen würde. Zuerst denken wir, dass das Problem durch justieren der Speichenspannung zu beheben sei. Nach kurzer Analyse erkennen wir, dass seine hintere Felge seitlich über eine Länge von 5 cm aufgesprungen ist. An ein Weiterfahren ist so eigentlich nicht zu denken. Wir müssen es aber ins nächste Dorf schaffen, dort ist die Chance, dass ihn jemand nach Coyhaique zu einer Bicicleteria mitnehmen kann sehr viel höher als auf dieser abgelegenen Strasse. Wir verteilen sein Gepäck auf die anderen drei Fahrräder, hängen seine Hinterbremse aus und machen uns auf den Weg in den 20km entlegenen Ort. Sein Hinterrad macht immer mehr Geräusche, doch wir kommen schnell und ohne weiteren Zwischenfall in Villa Mañihuales an. Conny hat ein paar Freunde in der nächsten Stadt und kann rasch einen Pick-up organisieren der Sie dahin bringt. Die Gruppe löst sich deshalb vorerst auf, mit dem Ziel sich in Coyhaique wieder zu treffen

Wir machen uns noch zu zweit auf den Weg nach „Sandy Beach“. Der Weg dorthin ist anstrengend und wir kommen erst kurz vor 19:00 an. Immer noch genug Zeit für ein schnelles Bad im kalten Fluss!

Wie sind leicht überrascht wie viele Chilenen um diese Uhrzeit noch da sind und noch viel überraschter als wir das ostdeutsche Rentnerpaar entdecken. Seis drum, Sie sind ohnehin lieber für sich. Wir geniessen die letzten Sonnenstrahlen und freuen uns auf unseren morgigen Ruhetag bei bestem Wetter.

(Mitte-links im Bild steht unser 🏕)

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